Die Nacht im Zelt wird so mittelmäßig gemütlich. Lali pennt die erste halbe Stunde auf meinen Füßen und beschließt dann, jetzt aufpassen zu müssen. Diesmal fackel ich nicht lange und stopfe sie direkt neben mich in den Schlafsack. Da stresst sie sich noch eine Viertelstunde, weil sie jetzt nicht mehr Wachhund spielen kann, und gibt sich dann geschlagen. Den gesamten Rest der Nacht pennt sie schnarchend neben mir im gut gedehnten Schlafsack. Ich bin dankbar für die fellige Wärmflasche und wickle mich in Embryonalstellung drum herum. 2 Stunden später wache ich auf weil mir alles weh tut, bewegt habe ich mich keinen Zentimeter. Versuche, im Schlafsack über Lali rüber, bzw sie auf die andere Seite zu schieben und lege mich auf die andere Seite. 2 Stunden später das selbe Spiel. Ab 5 Uhr morgens wird’s empfindlich kalt und in meinem Ein-Wand-Zelt auch immer feuchter. Als es laaaaaangsam hell wird krieche ich mit steifen Gliedern aus dem Zelt - damit das entspannt wird muss es echt noch ein paar Grad wärmer werden Nachts. Bei 3/4 Grad macht das noch nicht so Spaß.
Ich hänge schon mal alles was man hängen kann im Halbdunkeln auf die Leine, alles im Zelt ist feucht. Mein Rucksack stand bei den Mädels im Zimmer, da wandern wir nun als erstes hin und machen uns gemeinsam Frühstücksfertig. Lali ist wie gestern auch im Speisesaal problemlos willkommen und zu viert gibt es reichlich Weißbrot mit reichlich Marmelade.
Während die Mädels aufbrechen hänge ich das Zelt in die aufgehende Sonne und schleiche noch eine halbe Stunde drum herum, ehe es mir reicht und ich den feuchten Lappen einpacke und losmarschiere. Der Trampelpfad aus dem Dorf heraus ist mal wieder schnurgerade und da wir gegen 8:30 auf die Strecke gehen die reinste Pilgerautobahn. So voll habe ich es noch nie erlebt. Einer nach dem anderen, hier ein Grüppchen, da ein paar Radfahrer, trottet den Weg entlang. Lali und ich tun es ihnen gleich, halten hier und da und haben irgendwann etwas mehr Platz um uns herum. Von hinten hören wir auf einmal wieder jemand joggen - erst ist es ein Spanier der seine Morgenrunde dreht, 5 min später aber dann doch die übermotivierte Schweizerin. Das erste Dorf das wir treffen ist quasi leer, im zweiten gibt es um eine Ecke herum eine kleine Terrasse und ein zugehörigen Shop. Hier wird Lali begeistert von vielen anderen Pilgern begrüßt, die wir alle noch nicht kennen. Ich hole mir einen frischen Osaft und eine Instant Suppe für abends und wir hängen ein bisschen auf der Terrasse ab und quatschten mit dem einen oder anderen.
Als wir wieder loslaufen geht es noch ein Stück auf der Straße entlang, dann wieder auf einem Pfad direkt neben dieser. So geht es heute mehr oder minder den ganzen Tag weiter, immer kaum merklich bergan und meistens mit einem Graben und einigen Metern Abstand zwischen uns und der Straße. So kann Lali die meiste Zeit frei laufen, erst als wir den ersten Eichen „Wald“ treffen muss sie an die Leine. (Wald ist echt maximal übertrieben, für alle die hier an deutsche Eichen denken. Die kröpeligen, kleinen, total tot anmutenden Dinger sind selten mehr als einen Meter größer als ich. Also winzig.)
Wo Eichen sind könnten auch Eichenprozessionsspinner sein. Spanien hatte, wie Deutschland auch in einigen Regionen, damit im letzten Jahr echt zu kämpfen und hat teils großflächig Gift gesprüht. Die blöden Kackviecher (wer sie nicht kennt, flauschig anmutende schwarz-gelbe Raupen) sind schon für Menschen kein Spaß, wenn Lali einmal dran schnuppern würde könnte ich sie ne Stunde später beerdigen. Mit leichtem P in den Augen und maximal konzentriert auf den Weg vor meinem Hund schrauben wir uns als langsam aber sicher steiler nach oben in Richtung Tagesziel. Auf dem Weg dahin treffen wir außer ein paar Kühen (BABYKÜHE 😍😍) keine weiteren bekannten Gesichter. Im wirklich schönen Ort angekommen lauen wir einmal quer durch bis zur Municipal, dass sind die staatlich geförderten Herbergen. Üblicherweise akzeptieren diese Hunde, meist im Einzelzimmer, die hier allerdings nur 15-20€ kosten. An dem kleinen Stein-Haus angekommen suche ich den Eingang und wir laufen durch ein hübsches Gartentor in den Hof. Der Blick in die halb im Souterrain liegende Herberge ist dann gar nicht mehr hübsch, vorne an ein Tisch mit Cola Dosen und Aschenbecher, dahinter lassen sich die üblichen Stockbetten erkennen. Immediately no. Ich drehe um, zücke die App und steure die nächste Herberge an, bei der der Hund in der App blau leuchtet. Die ist voll, Ostern ist spürbar. Also zurück die Straße runter zur dritten und letzten Herberge, die den Hund laut App akzeptiert. Hier sitz eine nette Spanierin in der Tür und bedeutet mir auf spanisch, dass Hunde nur im 4er Zimmer (nicht im 6er, 8er oder 10er) erlaubt sind und das leider voll ist. Ich will schon nachdenken wo ich jetzt das teure Einzelzimmer buche, da zückt sie einen Schlüssel und bedeutet mir ihr zu folgen. Schräg gegenüber der Herberge liegt etwas erhöht ein netter Garten mit ein paar Holztischen und vielen Gänseblümchen im Rasen. In der Ecke steht ein Holzverkleideter Container, diesen schließt sie mir auf. Drinnen: ein Doppelbett mit bunten Decken, ein Tisch, eine Kommode, eine kleine Nachttischlampe. Die Tür nebenan führ in ein Bad mit Dusche, Waschbecken und Toilette. Casa Josi würde ich sagen! 15€ für die (ungeheizte) Nacht +3€ für einmal Wäsche waschen.
Wir packen aus und ich will duschen gehen, stelle aber fest, dass es Wasser nur in eiskalt gibt. Mit Hund, Wäschesack und in ein Handtuch gewickelt marschiert ich also wieder rüber zur Herberge und bedeute ihr kurzerhand, dass ich hier duschen gehe 😅 Sie schmeißt solange schonmal meine Wäsche in die Maschine und hängt sie später auch auf, weil ich verteilt bin und sie nicht früh genug sehe.
Lali und ich treffen uns eine halbe Stunde später nämlich mit „unserer“ netten Finnin im Garten nebenan, mit Blick auf die Wäscheleine und mein Luxusdomizil. Hier gibts einen späten Lunch für uns, einen großen (geteilten) Salat, einen mittelprächtigen Smoothie und für mich eine noch weniger deliziöse unbestimmbare Suppe. Keine Ahnung was da drin war. Vegetarisch war mein einziger Wunsch an die spanische Besitzerin des Etablissements, ich schwöre ich hab da Fleischsstücken rausgespult. Sei’s drum, der Garten ist schön. Sie füttert scheinbar alle Katzen der näheren Umgebung und hat einen Hund, für mich also alles gut. Wir dösen 2 Stunden in Sonne und Schatten. Heute war der erste richtige Sonnentag seit Beginn und mein linker Arm ist trotz eincremen leicht rötlich… die Sonne kommt halt einfach den ganzen Tag nur von links. Pünktlich um 5 brechen wir auf zum örtlichen Shop, der nach der Siesta nun wieder öffnet. Beim bezahlen wird schnell klar das die Alte, die mittlerweile merkwürdige Yoga - Klänge in Dauerschleife durch den Garten schallen lässt und überall Rächerstäbchen (🤢) entzündet, uns über den Tisch zieht. 12,50€ für Salat, Suppe und Smoothie ? Wucher! Egal. Ab zum Supermarkt, Wasser und ein bisschen Aloe Vera für die Haut shoppen. Dann wollen Lali und ich uns noch ne Runde hinlegen, bevor ich mir abends die Instantsuppe in der Abendsonne einverleibe. In unsere Casa sind derweil etwa 150.000 Ameisen eingezogen. Damit die sich nicht so alleine fühlen, haben sich ca. 12.000 Feuerwanzen überlegt ihnen Gesellschaft zu leisten. Sie sind ÜBERALL. Ich dackle also direkt rüber in die Herberge, nehme die nette Dame kurzerhand und zeige ihr das Problem, ehe wir jetzt ne halbe Stunde mit jeweils 3 Wörtern englisch und spanisch überlegen, was die jeweils andere uns sagen will. Sie schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und ruft ihren Schwager an, der 10 min später unser gesamtes Etablissement mit maximal giftig aussehendem Zeug in schätzungsweise der 8fachen Menge der Packungsanweisung tot sprüht. Eigentlich gut, ich kann schon mal keine Bettwanzenüberträgerin zwischen den Herbergen mehr sein. Nochmal 10 min später, die beiden sind abgedackelt, beginne ich tote Insekten aus unserem Häuschen zu fegen. Ich neige vielleicht manchmal zu Übertreibungen aber diesmal war es ganz genau so - es wird eine komplette Kehrschaufel voll. Bäääärks.
Tiefentspannt und gelassen gehe ich entsprechend später ins Bad zum Zähneputzen und anschließend um kurz vor 21 Uhr ins Bett. Natürlich suche ich nicht 15 mal Bett, Schlafsack und Hund nach etwaigen Toten oder lebenden Insekten ab. Und ich liege auch nicht im Schlafsack und Kratze mich überall weil ich fest davon überzeugt bin, jetzt auf jeden Fall Bettwanzen am Körper zu haben.
Der Plan für den nächsten Tag war: früh aufstehen, 6:30 los, Sonnenaufgang auf dem nächsten Berg. Punkt 07:01 wache ich auf, draußen zeigt sich der erste Silberstreifen am Horizont und es ist gewohnt kalt. Läuft. Lali und ich machen uns flott fertig und ich werfe den Schlüssel für das Insektenschloss gegenüber auf den kleinen Tisch im Eingang. Vamos!
Am Ortsausgang fülle ich noch mein Wasser, Lalis ist natürlich voll. Auf gehts zum höchsten Punkt des Camino!
Lali kann heute wieder fast durchgängig frei laufen, theoretisch. Wir kreuzen bis zum Ziel nur 3 mal eine Landstraße, laufen zwar die meiste Zeit auch entlang einer solchen, aber mit noch größerem Abstand als gestern. Die vielen kleinen Eichenwäldchen zwischendurch bieten zwar willkommenen Schatten, heute strahlt die Sonne den zweiten Tag wolkenlos vom Himmel. Aber Lali muss eben auch immer wieder an die kurze Leine. Von Anfang an geht es recht anständig bergauf, ist halt auch ne Bergetappe. Der Boden ist meistens grob steinig und wer seine Knöchel inklusive Bänder behalten möchte sollte besser gucken, wo er oder sie hintritt.
Madame Hund wackelt fröhlich voran, spielt hier und da mit einem Stock und ist wie immer der Star. Nach 1,5 Stunden erreichen wir den ersten Ort. Für mich gibt hier Tee, osaft und ne Scheibe Brot mit Tomaten zum Frühstück, wir essen mit 2 Mädels aus Schweden die erst vor ein paar Tagen in Leon gestartet sind. Lali schläft und streckt sich in einer Tour, letzteres fällt mir auf… Im Dorfladen shoppe ich mir noch einen „schicken“ blauen Jakobsweg Hut, ich hätte doch meinen wunderschönen rosa Sonnenhut aus Frankreich mitbringen sollen…
Weiter gehts bergan, den Schneegifel im Blick, wir bleiben zum Glück unterhalb. Ich laufe im Tshirt, trotz knallender Sonne fröstelt es mich hier und da, die Höhe macht sich bemerkbar. Lali dackelt wie gewohnt voran, lässt sich hier und da gnädig streicheln (eine Gruppe Koreaner ist komplett verliebt) und steckt sich weiter auffällig oft. Als ich mir schon überlegt habe bei welcher Tier-Physio ich ihr zu Hause schon mal einen Termin buche, fängt sie an zu würgen und spuckt mir ihr Frühstück vor die Füße. Ich versuche nicht in Panik zu geraten… 5 min später sind wir oben am Gipelkreuz, und im Schatten der kleinen (geschlossenen) Kapelle serviere ich Lali direkt ihr Magenmedikament und mache ihr die Schnute sauber. Madame war im Dezember und dann nochmal zum Jahreswechsel ziemlich Magen-Krank, trotz ziemlich fetten Tierarztrechnungen haben wir nie eine Diagnose bekommen. Mit jenem Magenmedikament behandelt man Geschwüre und Magenschleimhautentzündungen, seit dem war Ruhe… ich schiebe das mal auf „etwas gegessen was ich nicht gesehen habe“, versuche eine halbe Stunde ruhig zu atmen und lege Madamchen auf meinen Schoß. So viel zum Gipfelmoment.
Ich lege dann doch noch meinen Stein oben ab, den ich seit fast 4 Wochen mit mir herum trage. Loslassen, ein großes Wort für mich in letzter Zeit. Darum geht es hier, das Kreuz steht quasi auf einem Haufen Steine. PilgerInnen schreiben Namen darauf, Daten, Ereignisse, Erinnerungen - und lassen sie hier. Man hat sie symbolisch lange genug getragen, nun dürfen sie an diesem schlichten aber schönen Ort bleiben. Zurück blicken immer erlaubt, aber weiter gehen ist unerlässlich.
Lali trinkt noch etwas und wir machen uns aus den Abstieg. Sie läuft unverändert fröhlich vor mir, scheint erstmal wieder gut zu sein… das Magenmedikament gibts sicherheitshalber auf jeden Fall die kommenden paar Tage.
Der Abstieg entpuppt sich phasenweise immer wieder als Aufstieg, die üblichen Eichen kreuzen hier und da unseren Weg, sonst bleibt die Vegetation flach. Lavendel, allerlei blühende Sträucher,… Bernard, der liebe Franzose, schrieb mir gestern Abend er sei schon auf der anderen Seite und dort sei Frühling. Wenn das kein Ziel ist. 7 km geht es insgesamt „bergab“, nun sind wir auf 1100 Metern. Eigentlich wollten wir heute noch 5 km weiter, wegen Lalis Zwischenfall bleiben wir aber hier.
Ich habe in der kleinen Herberge im abermals sehr schönen kleinen Ort quasi schon eingecheckt, als der Dame Lali auffällt - ups, nee, damit nur Einzelzimmer. Vor der Bar der Herbege liegt ein unfassbar dicker Labrador, das scheint zu gehen.. wie sie Lali 15 min lang übersehen konnte ist mir auch ein Rätsel aber sei’s drum. Bei der zweiten Herberge im Ort mit blauem Hund in der App rufe ich kurz an, hier wird englisch gesprochen und der Hund darf rein. Wir laufen also ein paar Meter weiter den Berg hinunter und treffen linke Hand auf einen ziemlich neu aussehenden Gebäudekomplex auf einem Hügel. Englischer Rasen, Spa, Kinderspielplatz, große Sonnenterasse. Die spanische Schickeria ist auch schon da, samt Luxuskarossen. Ich komme mir durchgeschwitzt im Pilgeroutfit mit 14kg Rucksack etwas dumm vor, werde aber an der Rezeption herzlich willkommen geheißen und Lali darf mit ins Dorm. Sauber aufgereiht liegen um 1. Stock lauter 8er Zimmer nebeneinander, Lali und ich haben eins alleine. Alles neu, alles sauber und der Jackpot ist der lange Gemeinschaftsbalkon mit Blick auf die Berge.
Nach ein paar Stunden Schlaf für Lali und herumtüddeln für mich (erstes wlan seit Tagen) gehts essen, alles in allem lasse ich für Übernachtung, Abendessen und Frühstück 32€ hier. Wir treffen Tona, die Holländerin die mit mir in der holländischen Herberge war, sowie eine deutsche die wir heute auf dem Weg ein paar mal gesehen haben. Letztere spricht quasi nur deutsch, ist seit 4 Tagen unterwegs und wirkt ziemlich gequält… nett ist sie aber.
Die untergehende Sonne genieße ich während dem Schreibens dieses Romans vom Balkon aus, spektakulärer Anblick! Währenddessen versuche ich nicht in Panik zu geraten wann immer Lali schmatzt, schluckt oder sich streckt, alles wird gut, ommmmm 🧘🏽♀️
Morgen werden wir planmäßig ein paar KM in Richtung der letzten großen Vorstadt laufen und dann werde ich uns ein Taxi rufen, welches uns einmal durch bringen und auf der anderen Seite wieder ausspucken soll. Zum einen möchte ich Lali die Stadt an Ostern ersparen, es soll der Wahnsinn sein. Zum anderen wird das Futter langsam knapp und ich möchte Strecke machen, damit wir schnell beim nächsten Futter-Stopp ankommen…
Grüße vom Sonnenuntergang über den Bergen und bis morgen
🌄
Ich hänge schon mal alles was man hängen kann im Halbdunkeln auf die Leine, alles im Zelt ist feucht. Mein Rucksack stand bei den Mädels im Zimmer, da wandern wir nun als erstes hin und machen uns gemeinsam Frühstücksfertig. Lali ist wie gestern auch im Speisesaal problemlos willkommen und zu viert gibt es reichlich Weißbrot mit reichlich Marmelade.
Während die Mädels aufbrechen hänge ich das Zelt in die aufgehende Sonne und schleiche noch eine halbe Stunde drum herum, ehe es mir reicht und ich den feuchten Lappen einpacke und losmarschiere. Der Trampelpfad aus dem Dorf heraus ist mal wieder schnurgerade und da wir gegen 8:30 auf die Strecke gehen die reinste Pilgerautobahn. So voll habe ich es noch nie erlebt. Einer nach dem anderen, hier ein Grüppchen, da ein paar Radfahrer, trottet den Weg entlang. Lali und ich tun es ihnen gleich, halten hier und da und haben irgendwann etwas mehr Platz um uns herum. Von hinten hören wir auf einmal wieder jemand joggen - erst ist es ein Spanier der seine Morgenrunde dreht, 5 min später aber dann doch die übermotivierte Schweizerin. Das erste Dorf das wir treffen ist quasi leer, im zweiten gibt es um eine Ecke herum eine kleine Terrasse und ein zugehörigen Shop. Hier wird Lali begeistert von vielen anderen Pilgern begrüßt, die wir alle noch nicht kennen. Ich hole mir einen frischen Osaft und eine Instant Suppe für abends und wir hängen ein bisschen auf der Terrasse ab und quatschten mit dem einen oder anderen.
Als wir wieder loslaufen geht es noch ein Stück auf der Straße entlang, dann wieder auf einem Pfad direkt neben dieser. So geht es heute mehr oder minder den ganzen Tag weiter, immer kaum merklich bergan und meistens mit einem Graben und einigen Metern Abstand zwischen uns und der Straße. So kann Lali die meiste Zeit frei laufen, erst als wir den ersten Eichen „Wald“ treffen muss sie an die Leine. (Wald ist echt maximal übertrieben, für alle die hier an deutsche Eichen denken. Die kröpeligen, kleinen, total tot anmutenden Dinger sind selten mehr als einen Meter größer als ich. Also winzig.)
Wo Eichen sind könnten auch Eichenprozessionsspinner sein. Spanien hatte, wie Deutschland auch in einigen Regionen, damit im letzten Jahr echt zu kämpfen und hat teils großflächig Gift gesprüht. Die blöden Kackviecher (wer sie nicht kennt, flauschig anmutende schwarz-gelbe Raupen) sind schon für Menschen kein Spaß, wenn Lali einmal dran schnuppern würde könnte ich sie ne Stunde später beerdigen. Mit leichtem P in den Augen und maximal konzentriert auf den Weg vor meinem Hund schrauben wir uns als langsam aber sicher steiler nach oben in Richtung Tagesziel. Auf dem Weg dahin treffen wir außer ein paar Kühen (BABYKÜHE 😍😍) keine weiteren bekannten Gesichter. Im wirklich schönen Ort angekommen lauen wir einmal quer durch bis zur Municipal, dass sind die staatlich geförderten Herbergen. Üblicherweise akzeptieren diese Hunde, meist im Einzelzimmer, die hier allerdings nur 15-20€ kosten. An dem kleinen Stein-Haus angekommen suche ich den Eingang und wir laufen durch ein hübsches Gartentor in den Hof. Der Blick in die halb im Souterrain liegende Herberge ist dann gar nicht mehr hübsch, vorne an ein Tisch mit Cola Dosen und Aschenbecher, dahinter lassen sich die üblichen Stockbetten erkennen. Immediately no. Ich drehe um, zücke die App und steure die nächste Herberge an, bei der der Hund in der App blau leuchtet. Die ist voll, Ostern ist spürbar. Also zurück die Straße runter zur dritten und letzten Herberge, die den Hund laut App akzeptiert. Hier sitz eine nette Spanierin in der Tür und bedeutet mir auf spanisch, dass Hunde nur im 4er Zimmer (nicht im 6er, 8er oder 10er) erlaubt sind und das leider voll ist. Ich will schon nachdenken wo ich jetzt das teure Einzelzimmer buche, da zückt sie einen Schlüssel und bedeutet mir ihr zu folgen. Schräg gegenüber der Herberge liegt etwas erhöht ein netter Garten mit ein paar Holztischen und vielen Gänseblümchen im Rasen. In der Ecke steht ein Holzverkleideter Container, diesen schließt sie mir auf. Drinnen: ein Doppelbett mit bunten Decken, ein Tisch, eine Kommode, eine kleine Nachttischlampe. Die Tür nebenan führ in ein Bad mit Dusche, Waschbecken und Toilette. Casa Josi würde ich sagen! 15€ für die (ungeheizte) Nacht +3€ für einmal Wäsche waschen.
Wir packen aus und ich will duschen gehen, stelle aber fest, dass es Wasser nur in eiskalt gibt. Mit Hund, Wäschesack und in ein Handtuch gewickelt marschiert ich also wieder rüber zur Herberge und bedeute ihr kurzerhand, dass ich hier duschen gehe 😅 Sie schmeißt solange schonmal meine Wäsche in die Maschine und hängt sie später auch auf, weil ich verteilt bin und sie nicht früh genug sehe.
Lali und ich treffen uns eine halbe Stunde später nämlich mit „unserer“ netten Finnin im Garten nebenan, mit Blick auf die Wäscheleine und mein Luxusdomizil. Hier gibts einen späten Lunch für uns, einen großen (geteilten) Salat, einen mittelprächtigen Smoothie und für mich eine noch weniger deliziöse unbestimmbare Suppe. Keine Ahnung was da drin war. Vegetarisch war mein einziger Wunsch an die spanische Besitzerin des Etablissements, ich schwöre ich hab da Fleischsstücken rausgespult. Sei’s drum, der Garten ist schön. Sie füttert scheinbar alle Katzen der näheren Umgebung und hat einen Hund, für mich also alles gut. Wir dösen 2 Stunden in Sonne und Schatten. Heute war der erste richtige Sonnentag seit Beginn und mein linker Arm ist trotz eincremen leicht rötlich… die Sonne kommt halt einfach den ganzen Tag nur von links. Pünktlich um 5 brechen wir auf zum örtlichen Shop, der nach der Siesta nun wieder öffnet. Beim bezahlen wird schnell klar das die Alte, die mittlerweile merkwürdige Yoga - Klänge in Dauerschleife durch den Garten schallen lässt und überall Rächerstäbchen (🤢) entzündet, uns über den Tisch zieht. 12,50€ für Salat, Suppe und Smoothie ? Wucher! Egal. Ab zum Supermarkt, Wasser und ein bisschen Aloe Vera für die Haut shoppen. Dann wollen Lali und ich uns noch ne Runde hinlegen, bevor ich mir abends die Instantsuppe in der Abendsonne einverleibe. In unsere Casa sind derweil etwa 150.000 Ameisen eingezogen. Damit die sich nicht so alleine fühlen, haben sich ca. 12.000 Feuerwanzen überlegt ihnen Gesellschaft zu leisten. Sie sind ÜBERALL. Ich dackle also direkt rüber in die Herberge, nehme die nette Dame kurzerhand und zeige ihr das Problem, ehe wir jetzt ne halbe Stunde mit jeweils 3 Wörtern englisch und spanisch überlegen, was die jeweils andere uns sagen will. Sie schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und ruft ihren Schwager an, der 10 min später unser gesamtes Etablissement mit maximal giftig aussehendem Zeug in schätzungsweise der 8fachen Menge der Packungsanweisung tot sprüht. Eigentlich gut, ich kann schon mal keine Bettwanzenüberträgerin zwischen den Herbergen mehr sein. Nochmal 10 min später, die beiden sind abgedackelt, beginne ich tote Insekten aus unserem Häuschen zu fegen. Ich neige vielleicht manchmal zu Übertreibungen aber diesmal war es ganz genau so - es wird eine komplette Kehrschaufel voll. Bäääärks.
Tiefentspannt und gelassen gehe ich entsprechend später ins Bad zum Zähneputzen und anschließend um kurz vor 21 Uhr ins Bett. Natürlich suche ich nicht 15 mal Bett, Schlafsack und Hund nach etwaigen Toten oder lebenden Insekten ab. Und ich liege auch nicht im Schlafsack und Kratze mich überall weil ich fest davon überzeugt bin, jetzt auf jeden Fall Bettwanzen am Körper zu haben.
Der Plan für den nächsten Tag war: früh aufstehen, 6:30 los, Sonnenaufgang auf dem nächsten Berg. Punkt 07:01 wache ich auf, draußen zeigt sich der erste Silberstreifen am Horizont und es ist gewohnt kalt. Läuft. Lali und ich machen uns flott fertig und ich werfe den Schlüssel für das Insektenschloss gegenüber auf den kleinen Tisch im Eingang. Vamos!
Am Ortsausgang fülle ich noch mein Wasser, Lalis ist natürlich voll. Auf gehts zum höchsten Punkt des Camino!
Lali kann heute wieder fast durchgängig frei laufen, theoretisch. Wir kreuzen bis zum Ziel nur 3 mal eine Landstraße, laufen zwar die meiste Zeit auch entlang einer solchen, aber mit noch größerem Abstand als gestern. Die vielen kleinen Eichenwäldchen zwischendurch bieten zwar willkommenen Schatten, heute strahlt die Sonne den zweiten Tag wolkenlos vom Himmel. Aber Lali muss eben auch immer wieder an die kurze Leine. Von Anfang an geht es recht anständig bergauf, ist halt auch ne Bergetappe. Der Boden ist meistens grob steinig und wer seine Knöchel inklusive Bänder behalten möchte sollte besser gucken, wo er oder sie hintritt.
Madame Hund wackelt fröhlich voran, spielt hier und da mit einem Stock und ist wie immer der Star. Nach 1,5 Stunden erreichen wir den ersten Ort. Für mich gibt hier Tee, osaft und ne Scheibe Brot mit Tomaten zum Frühstück, wir essen mit 2 Mädels aus Schweden die erst vor ein paar Tagen in Leon gestartet sind. Lali schläft und streckt sich in einer Tour, letzteres fällt mir auf… Im Dorfladen shoppe ich mir noch einen „schicken“ blauen Jakobsweg Hut, ich hätte doch meinen wunderschönen rosa Sonnenhut aus Frankreich mitbringen sollen…
Weiter gehts bergan, den Schneegifel im Blick, wir bleiben zum Glück unterhalb. Ich laufe im Tshirt, trotz knallender Sonne fröstelt es mich hier und da, die Höhe macht sich bemerkbar. Lali dackelt wie gewohnt voran, lässt sich hier und da gnädig streicheln (eine Gruppe Koreaner ist komplett verliebt) und steckt sich weiter auffällig oft. Als ich mir schon überlegt habe bei welcher Tier-Physio ich ihr zu Hause schon mal einen Termin buche, fängt sie an zu würgen und spuckt mir ihr Frühstück vor die Füße. Ich versuche nicht in Panik zu geraten… 5 min später sind wir oben am Gipelkreuz, und im Schatten der kleinen (geschlossenen) Kapelle serviere ich Lali direkt ihr Magenmedikament und mache ihr die Schnute sauber. Madame war im Dezember und dann nochmal zum Jahreswechsel ziemlich Magen-Krank, trotz ziemlich fetten Tierarztrechnungen haben wir nie eine Diagnose bekommen. Mit jenem Magenmedikament behandelt man Geschwüre und Magenschleimhautentzündungen, seit dem war Ruhe… ich schiebe das mal auf „etwas gegessen was ich nicht gesehen habe“, versuche eine halbe Stunde ruhig zu atmen und lege Madamchen auf meinen Schoß. So viel zum Gipfelmoment.
Ich lege dann doch noch meinen Stein oben ab, den ich seit fast 4 Wochen mit mir herum trage. Loslassen, ein großes Wort für mich in letzter Zeit. Darum geht es hier, das Kreuz steht quasi auf einem Haufen Steine. PilgerInnen schreiben Namen darauf, Daten, Ereignisse, Erinnerungen - und lassen sie hier. Man hat sie symbolisch lange genug getragen, nun dürfen sie an diesem schlichten aber schönen Ort bleiben. Zurück blicken immer erlaubt, aber weiter gehen ist unerlässlich.
Lali trinkt noch etwas und wir machen uns aus den Abstieg. Sie läuft unverändert fröhlich vor mir, scheint erstmal wieder gut zu sein… das Magenmedikament gibts sicherheitshalber auf jeden Fall die kommenden paar Tage.
Der Abstieg entpuppt sich phasenweise immer wieder als Aufstieg, die üblichen Eichen kreuzen hier und da unseren Weg, sonst bleibt die Vegetation flach. Lavendel, allerlei blühende Sträucher,… Bernard, der liebe Franzose, schrieb mir gestern Abend er sei schon auf der anderen Seite und dort sei Frühling. Wenn das kein Ziel ist. 7 km geht es insgesamt „bergab“, nun sind wir auf 1100 Metern. Eigentlich wollten wir heute noch 5 km weiter, wegen Lalis Zwischenfall bleiben wir aber hier.
Ich habe in der kleinen Herberge im abermals sehr schönen kleinen Ort quasi schon eingecheckt, als der Dame Lali auffällt - ups, nee, damit nur Einzelzimmer. Vor der Bar der Herbege liegt ein unfassbar dicker Labrador, das scheint zu gehen.. wie sie Lali 15 min lang übersehen konnte ist mir auch ein Rätsel aber sei’s drum. Bei der zweiten Herberge im Ort mit blauem Hund in der App rufe ich kurz an, hier wird englisch gesprochen und der Hund darf rein. Wir laufen also ein paar Meter weiter den Berg hinunter und treffen linke Hand auf einen ziemlich neu aussehenden Gebäudekomplex auf einem Hügel. Englischer Rasen, Spa, Kinderspielplatz, große Sonnenterasse. Die spanische Schickeria ist auch schon da, samt Luxuskarossen. Ich komme mir durchgeschwitzt im Pilgeroutfit mit 14kg Rucksack etwas dumm vor, werde aber an der Rezeption herzlich willkommen geheißen und Lali darf mit ins Dorm. Sauber aufgereiht liegen um 1. Stock lauter 8er Zimmer nebeneinander, Lali und ich haben eins alleine. Alles neu, alles sauber und der Jackpot ist der lange Gemeinschaftsbalkon mit Blick auf die Berge.
Nach ein paar Stunden Schlaf für Lali und herumtüddeln für mich (erstes wlan seit Tagen) gehts essen, alles in allem lasse ich für Übernachtung, Abendessen und Frühstück 32€ hier. Wir treffen Tona, die Holländerin die mit mir in der holländischen Herberge war, sowie eine deutsche die wir heute auf dem Weg ein paar mal gesehen haben. Letztere spricht quasi nur deutsch, ist seit 4 Tagen unterwegs und wirkt ziemlich gequält… nett ist sie aber.
Die untergehende Sonne genieße ich während dem Schreibens dieses Romans vom Balkon aus, spektakulärer Anblick! Währenddessen versuche ich nicht in Panik zu geraten wann immer Lali schmatzt, schluckt oder sich streckt, alles wird gut, ommmmm 🧘🏽♀️
Morgen werden wir planmäßig ein paar KM in Richtung der letzten großen Vorstadt laufen und dann werde ich uns ein Taxi rufen, welches uns einmal durch bringen und auf der anderen Seite wieder ausspucken soll. Zum einen möchte ich Lali die Stadt an Ostern ersparen, es soll der Wahnsinn sein. Zum anderen wird das Futter langsam knapp und ich möchte Strecke machen, damit wir schnell beim nächsten Futter-Stopp ankommen…
Grüße vom Sonnenuntergang über den Bergen und bis morgen
🌄
Liebe Frau Hund, liebe Frau Peuten ;-)) -- hallo Josi, hallo Lali, Eure Fangemeinde auf dem Pilgerpfad wächst :-) stetig.
AntwortenLöschenIch wünsche Euch wärmeres Wetter, einen GESUNDEN Magen und ganz tolle Ostertage!
Viele liebe Grüße von Carsten