Just the 3 of us

Der angekündigte Supermarkt war in etwa so groß wie mein Flur. Wer den nicht kennt - er hat bummelig 1,5 qm. Macht aber nix, es gab 3 Liter Wasser, Kekse, ein bisschen Obst, Chips, Baguette und Philadelphia. Mit letzterem wird auch Lali die Strecke gut überstehen 😅 
Mir gefühlten 5 kg mehr im Rucksack werde ich mich also morgen früh auf den Weg machen.
Erstmal gehts zurück auf die Terrasse vom Hostel, Lali schläft auf meinem Schoß und ich bewundere die etwa 20 Kinder die hier in der Nachmittagssonne vorbei toben. Der Ort ist im Vergleich zu vielen anderen die wir schon durchquert haben erstaunlich lebendig. 
Während ich da so sitze und einen frischen Osaft trinke, kommt ein deutsches Paar (Anfang/Mitte 50) an mir vorbei. Nach kurzem nachdenken erkenne ich sie, ich habe sie schon 3 mal gesehen aber noch nie mit ihnen gesprochen. Mir wird schnell klar, warum ich da nichts verpasst habe: 
Sie: Ahh den Hund haben wir schon mal gesehen, ist das nicht zu viel für ihn? 
Ich: Es geht ihr gut, ich passe gut auf sie auf.
Sie: Hast du keine Angst, alleine als Frau auf dem Camino?
Ich: Nee, bisher eigentlich nicht. Und ich hab ja meinen Kampfhund dabei. 
Sie: Aaaaahahahaha, ja. Aber von dem Mord auf dem Camino hast du schon gehört ? 
Ich: Nein, und das darf gerne auch so bleiben. 
Sie: *guckt pikiert* aha. Na dann einen schönen Nachmittag.

Danke gleichfalls.
Die beiden setzen sich an den Tisch neben mir und reden fortan englisch miteinander - entweder sie halten mich für geistig unterbelichtet, oder sie haben wirklich einen an der Waffel. Naja, sei’s drum. 

Ich gehe zum Abendessen mit Marion, einer netten Finnin die ich vor ein paar Tagen schon getroffen habe, Anfang 40. Zu uns gesellt sich Bérnarde (66) aus Frankreich, auch den hab ich schon 2 mal getroffen. Beide sind eigentlich schneller als ich, dank skippen hab ich sie eingeholt. Und beide haben ein Wehwehchen, mal gucken ob wir morgen das gleich Tempo haben. 
Das Abendessen wird in jedem Fall lustig, es gibt 2 Flaschen Wein und viel Fraenglish. 

Lali und ich schlafen gut, um 6:45 laufen wir einmal den Weg hoch und runter vor dem Frühstück. Am Horizont zeigt sich im Dunkeln ein roter Streifen, dahinter funkeln wie Glühwürmchen die Lichter der Landebahn aus Sahagún. Im Nord-Osten lassen sich die ersten Umrisse einer Gebirgskette erahnen. Alles ist still, die ersten Vögel zwitschern. Schön. 

Nach einem unfreiwilligen Kaffee statt Tee und 2 freiwilligen Toast mit Marmelade machen wir uns mit ca. 15-16 kg Gepäck auf den Weg. (Mit und meine ich mich, Lali trägt nur sich). 
Wir starten zeitgleich mit den anderen beiden, wobei die Finnin langsamer und der Franzose schneller ist als wir. Aus dem Dorf raus geht es entlang einer winzigen Landstraße im Ratter-Ratter-Klonks Zustand (aus der Perspektive eines Autofahrenden). Lali darf frei laufen, hier passiert eh nix. Nach etwa 2 km kreuzen wir eine Landstraße, ab hier geht es auf der alten Römerstraße weiter. Die ist zwar hübsch anzusehen, aber weniger hübsch zu laufen - die großen, runden Steine sind entweder seit 2000 Jahren an ihrem Platz, oder werden unfreiwillig durch die Gegend gekickt und leisten entsprechenden Widerstand. 
Nachfolgend der Vollständigkeit halber eine Liste aller Dinge, die wir heute entlang der 24 km treffen: 
- 1 Auto, rast auf km 2 mit Tempo 100 an und vorbei und muss, laut meiner fachlichen Expertise, unmittelbar danach Achsbruch erlitten haben 
- 3 Trecker, jeweils im Abstand von einer Stunde, immer irgendwo weit Weg auf den Feldern 
- ca 100 Störche, in der Luft oder hinter den Treckern auf der Suche nach Leckerbissen im frisch gepflügten Boden 
- 2 Scheunen
- 1 Autobahnbrücke 

Das war’s bis zum Ziel in etwa. 

Nachdem wir bis gut zur Hälfte der Strecke der Römerroute folgen, wird der Weg nach einer Kurve sandiger. Bis hierhin ging es, ihr ahnt es, schnurgeradeaus, stundenlang. Die Landschaft ist wieder ähnlich der Meseta, Felder soweit man blicken kann, hier und da ein Baum, mal leicht hügelig, meistens sehr flach. Rechts von uns zieht sich den ganzen Tag eine Gebirgskette, wenn die Sonne drauf fällt sieht man die Schneebedeckten Gipfel. Bérnard wartet nach 2 Stunden mit Keksen auf Marion und mich am Wegesrand, wir holen ihn nacheinander ein.

Irgendwann beginnt der rote Boden gelb zu werden und aufzusanden. Ab hier windet sich die Strecke hin und her, steigt über sanfte Hügel hinauf und hinab. Schließlich biegen wir nach rechts und gehen recht steil ins Tal hinab, der Weg wird grau-weiß, riesig breit und schotterig. Unten treffen wir uns wieder alle zur zweiten Pause, machen es uns auf einer großen Betonplatte „gemütlich“. Bérnard meint, dies währe die perfekte Zeit für einen Kaffee oder einen Mittagsschlaf. Die anderen beiden brechen nach 15 min wieder auf, aber ich habe weder Kaffee noch mag ich welchen und Lali und ich wollen nach 18km ein bisschen entspannen. 
Also mache ich es mir auf meiner Jacke bequem und lehne mich an den großen Rucksack, Madame macht es sich auf meinen Beinen gemütlich und wir machen einen Powernap in der Mittagssonne. Gegen kurz nach 13 Uhr machen wir uns wieder auf den, jetzt wieder schnurgeraden, Weg. Nach etwa 45min passieren wir die Autobahn - ab hier muss Lali an die Leine da wir entlang einer größeren Landstraße die letzten 2 km ins Dorf laufen. Schlagartig weht die Fahne auf Halbmast. In der Sonne ist es recht warm, noch kein Tshirt Wetter aber da sie nun endgültig durch die letzten Quellwolken bricht hat sie Kraft. Lali weigert sich aber vor lauter Stress und Bocklosigkeit nochmal zu trinken bevor wir ankommen 🤷🏽‍♀️ Muss er durch der Lurch, gute 400ml hat sie heute auf dem Weg schon geschlürft. 
Im Siegestaumel laufen wir schließlich in den Ort hinein und bis zu unserer vorgebuchten Herberge. Diese nimmt für sich in Anspruch „von Pilgerern für Pilgerer“ zu sein und wird überwiegend von Feiwilligen betrieben. Sie ist recht klein und mit 18 Plätzen überschaubar, die Leute sind sehr nett und Lali problemlos willkommen. Sagenhafte 10€ zahle ich für mein Bett im 8er Zimmer, wobei alle anderen heute Anwesenden in dem anderen Raum sind und Lali und ich ein Dorm für uns haben 😊 Jackpot. 
Nach einer heißen Dusche für mich verabreden wir uns für abends mit Marion zum Essen. Morgen früh wollen wir uns ein Taxi in die Stadt teilen, eins ihrer Beine macht Probleme und ihr Pilgerführer empfiehlt ohnehin, die Etappe nicht zu laufen. Scheint echt wenig reizvoll zu sein ab hier. 
Bevor wir zum Abendessen aufbrechen treffen wir im Hostel noch 2 Amerikanerinnen, die Lali namentlich kennen. Gesehen haben wir die beiden vorher noch nicht - the german girl with the dog, wir sind einfach ein wandernder Mythos 🤪 

Zum Essen geht es dann in die einzige Herberge die hier im Ort aktuell Abendessen anbietet, auch Bérnard findet spontan noch den Weg zu uns. Wieder gibt es 2 Flaschen Wein, heute wirklich gutes Essen und wir beäugen die spanische Nachrichtensendung mit dem Livestream der französischen Wahl und geben unser Bestes, das ganze zu entziffern. Alles in allem werde ich heute für übernachten und Essen 24€ los, wie schön wäre es wenn das immer so klappt. Als wir zurück zu unseren Hostels laufen zeigt das Thermometer noch 16 Grad, seit mittags ist es deutlich aufgeheizt. Wenn das so bleibt könnte ich in 1,2 Tagen endlich wieder Zelten, das würde meinem Budget sehr entgegenkommen 😅🤪 Aus Prinzip gucke ich aber schon seit 2 Wochen keinen Wetterbericht mehr, seit den beiden Tagen im Blizzard mit Schnee und Eis traue ich dem eh nicht mehr. Lali und ich laufen noch schnell die Straße runter zur Tanke für eine Flasche Wasser - zurück zum Hostel sprinten wir, weil wir beide fröhlich sind und weil das Hostel in 3 min seine Türen schließt. 
Während Lali schon alle 4 eingecremten Pfoten von sich steckt gehe ich noch schnell Zahnpasta schnorren, meine ist seit gestern Abend alle, und schreibe diesen kleinen Eintrag. Und nun machen wir in unserem Luxus - Einzelzimmer das Licht aus und melden uns Morgen! 

Kommentare

  1. . . . the german girl with the dog - vielleicht schafft Ihr es ja mit Euren Erlebnissen und steigendem Bekanntheitsgrad am Ende noch in die Tagesschau ;-)
    Ich wünsche Euch weiterhin eine interessante und spannende Jakobswegtour.Viele Grüße von Carsten

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